Fünf-Ohren-Modell
Liebes Tagebuch,
heute Morgen ist mir etwas Merkwürdiges passiert. Mein Radiowecker – ohne Wurfantenne nur noch wirkungsstärker in seiner Aufgabe, Angst und Schrecken zu verbreiten, da Radio Ton der einzige Sender ist, der sich noch für mein entmanntes Empfangsgerät prostituiert – war das Letzte, woran ich mich erinnerte, bevor ich im nächsten Moment im Kopierraum meiner Schule stand, vor mir das fiepende Gerät, an meinem Ohr der übliche Kobold von Lehrer, dessen Vortrag über die Empfindlichkeit der Geräte und der Grobheit mancher Kollegen ich in der Version 8.0 so gut wie verpasst hatte.
Es war vor der ersten Stunde, ich hatte nicht gefrühstückt und auch keinen Kaffee und der Kobold war in Gefahr. Mir kam eine Erneuerung des Vier-Ohren-Modells von Schulz von Thun in den Sinn: Ein zweites Appell-Ohr horchte auf: War es nicht so, dass sich im Muster des sinnfreien Wortteppichs ein Hilferuf abzeichnete? Meine geschärften Übersinne nahmen die sich wiederholenden Worte wahr: „Hau mir eins in die Fresse. Hau mir eins in die Fresse.“ Als Dienstvorgesetzter war Rumpelzstielchen mir gegenüber eindeutig weisungsbefugt. Die Frage war nur: Wie hätten es Herr OStR Graf von Faksimil denn gerne gehabt? Möglicherweise eine Kopie seines Gesichts vor der Amtshandlung? Für die sicherlich jetzt schon überforderte plastische Chirurgie in der Veterinärabteilung?
Würde Eurer Exzellenz höchstpersönlich mit vollster Hingabe den Gefallen tun und alle Kraft darauf verwenden, das dicke Gesicht in alle Ecken der Sichtscheibe zu drücken, auf dass so wenig Toner wie möglich an den Rändern verbraucht werde.
Nicht dass ich so etwas gerne tue. Aber wenn die Pflicht ruft. Sich selbst noch einmal vergewissernd, wie es meinem besonnenen nahöstlichen Naturell entspricht, wendete ich mich an die Schulleiterin und fragte sie, ob sie die gleichen Sätze vernehme. Betäubt von Kaffee und Frühstück konnte sie meine Wahrnehmung nicht teilen und hielt eine atemberaubende Rede über Vertrauen, Verrat und Leidenschaft unter besonderer Berücksichtigung Baden-Württembergs. Ich empfahl mich kurz vor Ende Kapitel 16 und kam gerade noch rechtzeitig zur dritten Stunde.
heute Morgen ist mir etwas Merkwürdiges passiert. Mein Radiowecker – ohne Wurfantenne nur noch wirkungsstärker in seiner Aufgabe, Angst und Schrecken zu verbreiten, da Radio Ton der einzige Sender ist, der sich noch für mein entmanntes Empfangsgerät prostituiert – war das Letzte, woran ich mich erinnerte, bevor ich im nächsten Moment im Kopierraum meiner Schule stand, vor mir das fiepende Gerät, an meinem Ohr der übliche Kobold von Lehrer, dessen Vortrag über die Empfindlichkeit der Geräte und der Grobheit mancher Kollegen ich in der Version 8.0 so gut wie verpasst hatte.
Es war vor der ersten Stunde, ich hatte nicht gefrühstückt und auch keinen Kaffee und der Kobold war in Gefahr. Mir kam eine Erneuerung des Vier-Ohren-Modells von Schulz von Thun in den Sinn: Ein zweites Appell-Ohr horchte auf: War es nicht so, dass sich im Muster des sinnfreien Wortteppichs ein Hilferuf abzeichnete? Meine geschärften Übersinne nahmen die sich wiederholenden Worte wahr: „Hau mir eins in die Fresse. Hau mir eins in die Fresse.“ Als Dienstvorgesetzter war Rumpelzstielchen mir gegenüber eindeutig weisungsbefugt. Die Frage war nur: Wie hätten es Herr OStR Graf von Faksimil denn gerne gehabt? Möglicherweise eine Kopie seines Gesichts vor der Amtshandlung? Für die sicherlich jetzt schon überforderte plastische Chirurgie in der Veterinärabteilung?
Würde Eurer Exzellenz höchstpersönlich mit vollster Hingabe den Gefallen tun und alle Kraft darauf verwenden, das dicke Gesicht in alle Ecken der Sichtscheibe zu drücken, auf dass so wenig Toner wie möglich an den Rändern verbraucht werde.
Nicht dass ich so etwas gerne tue. Aber wenn die Pflicht ruft. Sich selbst noch einmal vergewissernd, wie es meinem besonnenen nahöstlichen Naturell entspricht, wendete ich mich an die Schulleiterin und fragte sie, ob sie die gleichen Sätze vernehme. Betäubt von Kaffee und Frühstück konnte sie meine Wahrnehmung nicht teilen und hielt eine atemberaubende Rede über Vertrauen, Verrat und Leidenschaft unter besonderer Berücksichtigung Baden-Württembergs. Ich empfahl mich kurz vor Ende Kapitel 16 und kam gerade noch rechtzeitig zur dritten Stunde.
spiderref - 30. Nov, 00:34