13
Nov
2006

schlimmer geht immer oder: hier kann man sich günstig umnachten lassen

redlich hast du dich bemüht, mein lieber refländer, doch stellt für den wahrhaft wagemutigen wanderer auf den pfaden reflands die zurschaustellung grob fahrlässiger unkenntnis des eigenen stundenplans vor der schulleitung keine angemessene herausforderung mehr dar - zumindest seit euer bescheidener erzähler, thargor von den reflands, just heute den kampf mit einem der furchterregendsten ungeheuer aus den untiefen der untiefsten kavernen reflands unter einsatz seiner geistigen gesundheit und einiger für einen refländer bedeutenderen kernkompetenzen gemeistert hat. möge dich dies beispiel nicht nur erquicken, sondern dir auch als ansporn dienen für deine eigenen heldentaten - nun denn, wohlan:

im grunde begann alles ganz harmlos: der übliche montag - eventuell über das wochenende aufgestaute motivation und fälschlicherweise gehegte illusionen über das leistungvermögen und mehr noch die leitungsbereitschaft von adepten der gymnasialen bildung verfliegen schnell durch eine gezielt applizierte dosis von 2 stunden deutsch in der mittelstufe. erschwerend kommt hinzu, dass das thema beider stunden übungen zur kommasetzung sind: "Karl - KOMMA - geht nach Hause." (O-Ton eines 9.-klässlers in der 2. stunde, der auf nachfrage des amtierenden refländers, ob er geruhe, ihn zu verarschen, auf seinem vorschlag beharrt...). die 2 anschließenden freistunden (heute ausnahmsweise ohne vertretungseinsätze) vergehen ob der angeregten diskussionen mit kollegen, wann der betreffende 9.-klässler den literatur-nobelpreis oder doch eher den für teilchen-physik (gaaaanz kleine teilchen) erhalten wird, wie im flug. geistig bereite ich mich bereits auf das nachmittägliche after-school-koma vor, doch aus diesen vorbereitungen reißt mich eine stunde in meiner 6. klasse geschichte, in der - ganz im gegensatz zu allen vorangegangenen stunden - die lieben kleinen sich nicht nur fein diszipliniert verhalten, sondern auch äußerst gut mitarbeiten (unerwähnt möchte der chronist hier doch lieber lassen, dass er zuvor jede und jede, die nur ansatzweise zu außerunterrichtlichen gesprächen und faxen anhub, so zur sau gemacht hat, dass einige kurz vor dem losheulen waren - der geneigte leser wird wohl verstehen, dass mir das pädagogische schamgefühl dies gebietet). jedenfalls kam eine richtig gute stunde dabei heraus... nun, das hätte mich misstrauisch stimmen sollen, aber man ist ja noch so herrlich naiv. so ging euer bescheidener chronist auch ausnahmsweise nach der 6er-stunde nicht ins raucherzimmer, sondern leicht beschwingt direkt zu seiner 11. klasse, deren zimmer sich neben dem der 6er befindet. nachdem ich die damen und herren oberstüfler beruhigt hatte, dass ich natürlich nicht gedenke, den unterricht zu früh zu beginnen, hatten sich ausnahmsweise - noch eine ausnahme, die den bescheidenen und über alle maßen naiven chronisten nicht misstrauisch werden ließ, - alle schüler schon beim gong im klassenzimmer versammelt, als...

der geneigte leser wird bemerken, dass der bescheidene chronist nun fast am höhepunkt seiner kleinen geschichte angelangt ist: er hat zuerst einen ganz normalen montag vorgetäuscht, um dann durch geschickt eingesetzte hinweise die spannung fast bis zum unerträglichen zu steigern... gleich wird etwas schreckliches passieren, gleich muss sich etwas geradezu monströses offenbaren - und tatsächlich: nun ist es soweit, wohlan:

... als die tür des klassenzimmers aufgeht. der chronist wendet müde seinen kopf, auf den lippen schon ein flottes wort der ermahnung an den zuspätkommer ("na, warste noch pippi") - das er aber schnell unterdrückt, als er bemerkt, dass gerade der schulleiter das klassenzimmer betritt. nun denn, er wird wohl eine ankündigung an die 11er habe, denke ich mir und wühle weiter in meinen unterlagen. doch mitnichten, stillschweigend begibt sich der schulleiter nach einem wortlosen händedruck mit dem chronisten in die hinteren gefilde des klassenzimmers, nimmt dort platz und zückt papier und stift. langsam dämmert es dem chronisten: "ich habe offensichtlich einen unterrichtsbesuch."

nun gut, mag sich der geneigte leser denken, ein unterrichtsbesuch des schulleiters - pöh - dafür der ganze aufstand, das hat der wanderer auf den pfaden reflands doch ständig, ist quasi sein täglich brot, seine beurteilungs-skylla und leistungsziffer-charybdis, deshalb muss man nun wirklich nicht so unheimlich tun - und so weiter und so fort. daher sieht sich der bescheidene chronist genötigt zu präzisieren: einen unangekündigten schulleiterbesuch in einer unvorbereiteten geschichtsstunde.

insgeheim wundert sich der bescheidene chronist immer noch, warum er nicht schreiend aus dem klassenzimmer gerannt bzw. gleich, um den kürzesten weg zu wählen, aus dem fenster gesprungen ist. außerdem ist ihm immer noch nicht ganz klar, wie es ihm und seiner klasse gelungen ist, soweit geschichtsunterricht vorzutäuschen, dass die stunde nicht in dem vorprogrammierten fiasko geendet ist. stellt er in rechnung, dass er selbst weder die für die stunde zentralen texte gelesen, noch ein tafelbild geplant hatte (von solchem didaktischen schnickschnack wie unterrichtsschritten, phasierungen, leitfragen usw. ganz zu schweigen), trägt das nicht gerade zur klärung bei...

nun, was soll ich sagen: der schulleiter war recht zufrieden, der bescheidene chronist hat auch die anschließende 1 1/2-stündige nachbesprechung durch gezieltes nicken an ihm passend erscheinenden stellen des schulleitermonologs gemeistert - und ist im anschluss auf einen neuen pädagogischen wahlspruch gekommen: "angekündigte ubs sind was für weicheier".

nachdem sich sein adrenalin-bedingter größenwahn wieder etwas gelegt hatte, begann er sich zu fragen, warum er ausgerechnet an diesem montag morgen dafür entschieden hatte, seine ub-uniform aus dem ersten jahr (ordentliches hemd und so) aufzutragen, bevor sie für die kommenden ubs der fachleiter in die wäsche wandern würde - und warum er zum ersten mal in diesem schuljahr pünktlich in seiner 11. klasse war - und und und...

aber bevor er sich in gefahr begibt, sich hier in synchronizitätsspekulationen zu verstricken, beendet er seine kleine geschichte, nicht ohne hinzuzufügen, dass er einen unangekündigten schulleiterbesuch nur jedem zur nachahmung empfehlen kann - sofern man auf adrenalin steht ;)

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